Abraham Lincoln, Giuseppe Verdi und ein oder zwei Theatermorde

Zum Vortrag: 1861 wurde Abraham Lincoln zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und Vittorio Emanuele II von Piemont-Sardinien König von Italien. Der Prozess der italienischen Nationswerdung setzte sich eng mit dem politischen Experiment der USA auseinander, aber auch mit den Problemen der Sklaverei und des Rassismus, welche die Idee einer demokratischen Republik überschatteten. Mit Un ballo in maschera vollendete Giuseppe Verdi 1859 eine Oper, die sich direkt mit den Problemen der amerikanischen Gesellschaft auseinandersetzte und die nordamerikanische Republik weniger als politischen Traum, sondern als dystopische Gesellschaft darstellte. In den USA war das Interesse an Verdis neuer Oper groß, sodass auch der president elect Abraham Lincoln das Werk sehen wollte, als es in Brooklyn seine amerikanische Uraufführung erlebte. Nach der Wahl eines erklärten Gegners der Sklaverei war die politische Situation angespannt und es kamen Gerüchte auf, dass Südstaatler die Schlussszene der Oper mit der Ermordung des Gouverneurs von Boston für ein Attentat auf Lincoln nutzen könnten. Kurz vor dem Ende der Oper wurde Lincoln daher sicher aus seiner Loge eskortiert. Hat sich irgendjemand dieser Szene erinnert als Lincoln vier Jahre später von John Wilkes Booth während einer Vorstellung im Washingtoner Ford’s Theatre erschossen wurde? Hätte man dem Gerücht mehr Bedeutung zumessen sollen?

Literatur zur Sitzung:

• Axel Körner, America in Italy. The United States in the Political Thought and Imagination of the Risorgimento, 1763-1865. Princeton 2017, S. 163-198.
• Adam I.P. Smith, The American Civil War. New York 2007.
• Arnold Jacobshagen, “Un ballo in maschera”, in: Anselm Gerhard und Uwe Schweikert (Hrsg.), Verdi Handbuch, 2. Aufl., Stuttgart 2013, S. 486-493.