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Das Institut für Musikwissenschaft lädt herzlich ein zu einem Vortrag von Vincenzo Borghetti (Universität Verona). Der Vortrag findet am Mittwoch, 4. Mai, ab 11:15 Uhr in Hörsaal 12 im Hörsaalgebäude statt. Der Vortrag ist auch über Live-Stream zugänglich: Klicken Sie auf der Startseite von Moodle (nach dem Einloggen) auf „Streaming Campus Augustusplatz“ und dann auf „Hörsaal 12“.

Live-Stream

Unter den zahlreichen Bearbeitungen von Johannes Ockeghems Rondeau Fors seulement l’actente que je meure nimmt das Rondeau Fors seulement contre ce qu’ay promys eine herausragende Stellung ein. Dieses Stück hat Aufmerksamkeit erregt, zum einen, weil es von Ockeghem selbst stammt, und zum anderen, weil sein Text Hinweise auf interne Kämpfe am französischen Hof in den 1480er Jahren zu enthalten scheint. Bei aller Breite und Tiefe dieser Untersuchungen wurde jedoch ein wichtiger Aspekt der Überlieferung von Fors seulement contre ausgeklammert, nämlich die Tatsache, dass in einer der maßgeblichen Quellen neben dem Tenor auch der poetische Text der Vorlage erhalten ist. Dies ist umso überraschender, als die Forscher dadurch einige potenziell entscheidende Informationen über die politischen Implikationen des Stücks übersehen haben.  

In meinem Vortrag möchte ich auf Fors seulement contre ce qu’ay promys und insbesondere auf seine Polytextualität zurückkommen. In Anlehnung an die jüngsten Studien zur mittelalterlichen Polytextualität (von Sylvia Huot, Emma Dillon und Elizabeth Leach u. a.) erörtere ich zunächst einige relevante Aspekte der Hauptquellen des Chansons. Anschließend konzentriere ich mich auf die Analyse der beiden Textpaare (poetisch und musikalisch) und ihre gegenseitigen Wechselwirkungen und verbinde die Ergebnisse dieser Analyse mit einigen materiellen Merkmalen der Überlieferung von Fors seulement contre. Abschließend schlage ich eine mögliche politische Lesart des Rondeaus vor und erwäge die potenzielle Relevanz dieser Interpretation für umfassendere Fragen der Polytextualität im säkularen Repertoire des späten fünfzehnten Jahrhunderts. 

Vincenzo Borghetti lehrt Musikgeschichte an der Universität von Verona, Italien. Er wurde an der Universität Pavia-Cremona promoviert und war 2007–2008 Stipendiat der Villa I Tatti, The Harvard Center for Italian Renaissance Studies in Florenz. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die Polyphonie der Renaissance und die Oper. 2016 veröffentlichte er die kritische Ausgabe von Gioachino Rossinis Oper Elisabetta regina d’Inghilterra für die Rossini Edition der Fondazione Rossini, Pesaro. Er ist Mitautor von Il bacio della Sfinge: D’Annunzio, Pizzetti e „Fedra“ (Turin, 1998). Mit Tim Shephard ist er Herausgeber von The Museum of Renaissance Music: A History in 100 Exhibits (Brepols, im Druck). Seine Aufsätze und Artikel sind unter anderem in Early Music History, Acta musicologica, Journal of the Alamire Foundation, Chigiana, Imago Musicae und Handbuch der Musik der Renaissance erschienen. Seit 2019 ist er Mitglied der Academia Europaea.