Ein Habilitationsprojekt von Dr. Oliver Krause und gefördert durch die DFG -Sachmittelbeihilfe:
Projektbeschreibung
Das im Ergebnis auf eine Habilitationsschrift zielende Projekt analysiert die Heartland-Theorie des britischen Geographen Halford J. Mackinder als Beispiel einer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts transnational und interdisziplinär bekannt und wirksam gewordenen raumbezogenen Imagination. Gegenstand der Heartland-Theorie ist die Vorhersage einer Neuordnung der Welt. Im Zentrum der prophezeiten Weltordnung steht das eurasischen „Heartland“, eine ressourcenreiche und schwer zugängliche Region im Norden des asiatischen Kontinents, dessen Beherrschern es zwangsläufig, Schritt für Schritt gelingen würde, die gesamte Welt zu kontrollieren.
Hinter der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts laufenden verkehrstechnischen Erschließung (Eisenbahn) des eurasischen Heartlands meinte Mackinder den Aufstieg einer neuen Territorialmacht zu erkennen, die in seinen Augen eine Bedrohung für die globale Hegemonie der Seemacht Großbritanniens darstellte. Das als geopolitische Dystopie angelegte Konzept publizierte Mackinder bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in drei, international und interdisziplinär rezipierten, adaptierten und popularisierten Varianten (1904, 1919, 1943).
Im Verlauf des Rezeptions- und Adaptionsprozesses verselbstständigte sich die von Mackinder imaginierte globale Raumordnung, indem die regionale Bindung des Heartland an Eurasien aufgelöst und die Theorie zunehmend von der Autorenschaft Mackinders entkoppelt wurde. Indem das Vorhaben bislang disziplinär getrennt gestellte Fragen und Forschungsstände zur Rezeption und Adaption der Heartland-Theorie im Deutschen Reich (1919–1945) und den Vereinigten Staaten (1919–1980er), zur Entstehung von geografischen Imaginationen, sowie zu Verbildlichungsprozessen (Kartographie) und Prozessen der Neuverräumlichung von Macht unter Globalisierungsbedingungen miteinander verknüpft, kann die bisher ausgebliebene interdisziplinär angelegte Rekodierung der Theorie im Kontext einer raumbezogen arbeitenden Global History geleistet werden.
Es gilt am Beispiel der Heartland-Theorie herauszufinden, wie und warum (Geo-)Imaginationen globaler Raumordnungen einen Prozess der Entkopplung durchlaufen und zu einem Evidenz erzeugenden kollektiv nutzbaren Image werden können, das schließlich als erklärungsstarkes Passepartout zur Legitimierung erstaunlicherweise überaus differenter politischer Agenden bis in die Gegenwart hinein genutzt wird. Vor allem Prozesse der komplexen Übersetzung zwischen den Medien Text und Karte/Filme (Verbildlichungsprozesse), sowie die spezifische Aneignung und Adaption entsprechend dem national und zeitgenössisch vorherrschenden social imaginary erklären modellhaft die Entstehung und Wirkung populärer raumbezogener (Geo-)Imaginationen und damit verknüpfter (geo)politischer Narrative im 20. Jahrhundert.