Die Juniorprofessur für Digitale Archäologie Mitteleuropas, gefördert durch das Programm zu Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs, ist seit 2023 Teil der Altertumswissenschaften am Historischen Seminar der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Regionalwissenschaften. Sie nutzt verschiedene Zugänge der Digitalen Archäologie Forschungen zur Prähistorie mit einem geographischen Fokus auf Mitteleuropa zu betreiben. In der Lehre geht es um die Vermittlung von digitaler Kompetenz innerhalb verschiedener Bereiche der Archäologischen Wissenschaften, in enger Verzahnung von Theorie und Praxis.
Digitale Archäologie in Leipzig
Eine klare Definition der Digitalen Archäologie - oder Archäoinformatik - ist schwierig, da sie sich entgegen anderer Spezialisierungen im Fach weder klar zeitlich, räumlich noch methodisch von anderen Archäologien abgrenzen lässt. Digitale Archäologie umfasst eine Vielzahl theoretischer, praktischer und methodischer Arbeits- und Forschungsbereiche und kann als Schnittstellendisziplin oder umbrella field innerhalb der Archäologischen Wissenschaften betrachtet werden.
Von der Ausgrabung bis zur Präsentation der Forschungsergebnisse spielen nicht nur digitale bildgebende Vermessungs- und Dokumentationsmethoden oder Datenmanagementsysteme eine Rolle, auch die Anwendung rechnergestützter quantitativ-statistischer und datenmodellierender Methoden sowie Simulationen zur tiefgreifenden Analyse archäologischer Fragestellungen sind Teile der Digitalen Archäologie. Darüber hinaus ist der archäologische Alltag, egal welcher raumzeitlichen Spezialisierung nachgegangen wird, von der Anwendung verschiedenster Computerprogramme und technischer Geräte geprägt. Das Verständnis ihrer Grundlagen hilft es, sie zielführend im Feld und in der Forschung einzusetzen, Potenziale für ihre Anwendung zu erkennen und kritisch über sie zu reflektieren.
Die Juniorprofessur Digitale Archäologie Mitteleuropas legt einen Schwerpunkt auf den Bereich der Digitalen Archäologie, die als Computational Archaeology bezeichnet wird. Diese setzt sich vor allem mit der Transformation und Analyse von archäologischen Daten unter Zuhilfenahme von quantitativ-statistischen und datenmodellierenden Methoden - wozu auch Ansätze des maschinellen Lernens (oder Künstliche Intelligenz) dazugehören - auseinander. Weiter gehören die Anwendung von Simulationsmodellierungen zur Untersuchung von dynamischen Prozessen in den Tätigkeitsbereich der Computational Archaeology.
Forschungsschwerpunkte
Die Juniorprofessur bewegt sich unter intensiver Nutzung digitaler Methoden und Ansätzen der Computational Archaeology in den „klassischen“ Forschungsfeldern der Prähistorischen Archäologie. Dazu gehören Gräber-, Siedlungs- und Landschaftsarchäologie, typochronologische Studien zu materieller Kultur, aber auch Sozialarchäologie, Archäodemographie und Landnutzung. In vielen Fällen geht damit die Auseinandersetzung mit der Sozialökologie vergangener Mensch-Umwelt-Systeme einher.
Für alle Forschungsschwerpunkte wichtig und in gewisser Weise ein eigener Schwerpunkt sind die Anwendung und Weiterentwicklung von Methoden im Sinne der Digitalen Archäologie, die die Transformation und Analyse archäologischer Daten sowie das Simulieren und Testen bestehender theoretischer Modelle betreffen. Die Transformation von Daten bedeutet, die materiellen Hinterlassenschaften, die durch Grabungen und Surveys gewonnen wurden, in eine geeignete Form für die spätere computergestützte Analyse zu bringen und sie in Stellvertreterdaten, sogenannte Proxies, zu übersetzen. Das Ziel des Letzteren besteht darin, archäologisches Material und paläoökologische Daten mit Bedeutung - beispielsweise Soziales Kapital - oder menschliche Aktivitäten - beispielsweise Landnutzung - zu verknüpfen. Mithilfe geeigneter Methoden lassen sich aus den transformierten Daten soziale, politische, ökonomische oder ökologische Entwicklungen und Zusammenhänge in der tiefen Vergangenheit darstellen, vergleichen und qualitative Aussagen über diese treffen. Die Ergebnisse solcher Analysen münden in die Formulierung systemischer Zusammenhänge - eines theoretischen Modells einer Situation der Vergangenheit -, die mit Simulationsansätzen nachvollzogen und auf Plausibilität getestet werden können.