Mit dem Leipzig Akkadian Dictionary wird in einem Zeitraum von 17 Jahren ein neues Wörterbuch der bedeutendsten altorientalischen Sprache, des Babylonisch-Assyrischen oder kurz Akkadischen, entstehen. Das neue Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig ist Teil des Akademienprogramms, das als größtes geistes- und kulturwissenschaftliches Langfrist-Forschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland von Bund und Ländern getragen und von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert wird.

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Titelbild Leipzig Akkadian Dictionary

Das Babylonisch-Assyrische, meist mit der Eigenbezeichnung „Akkadisch“ genannt, ist die bedeutendste Sprache des Alten Orients. Sie wurde vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis um Christi Geburt in Mesopotamien, dem Land an Euphrat und Tigris, und in zahlreichen benachbarten Regionen Vorderasiens auf dem Gebiet der heutigen Staaten Irak, Syrien, Türkei, Libanon, Israel, Iran und Ägypten gesprochen und geschrieben. Das Akkadische gehört der semitischen Sprachfamilie an und ist unter anderem mit dem Arabischen, Hebräischen und Aramäischen eng verwandt. Die in Keilschrift auf Tontafeln und Steinmonumenten abgefassten akkadischen Texte sind äußerst zahlreich und übertreffen zusammen genommen den Umfang des antiken lateinischen Schrifttums; das Akkadische ist damit eine der am besten dokumentierten Sprachen des gesamten Altertums.


Geschrieben wurde in akkadischer Sprache Texte unterschiedlicher Gattungen: Briefe gingen zwischen Königen, Beamten und Privatleuten hin und her; die Verwaltungen von Palästen und Tempel hielten ihre umfangreichen Geschäfte auf Tontafeln fest; Rechtsgeschäfte wurden schriftlich dokumentiert; Könige erließen Gesetzestexte und rühmten sich in langen Inschriften ihrer Taten; Schreiber verfassten das Gilgameschepos, den Sintflutmythos und zahlreiche andere literarische Texte; gelehrte Ärzte, Opferschauer, Sternkundige stellten medizinische Handbücher und Vorzeichenkompendien zusammen.


Die akkadischen Wörterbücher, mit denen die Altorientalistik heute noch arbeitet, sind jedoch veraltet. Mehrere tausend Wörter, die in den ständig neu publizierten Keilschrifttexten entdeckt wurden, sind in ihnen nicht enthalten. Bereits bekannte Wörter lassen sich heute aufgrund neuer Belege vielfach exakter und detaillierter beschreiben. Hier setzt das neue Leipzig Akkadian Dictionary an: der Wortschatz des Akkadischen soll vollständig gesammelt, neu analysiert und in einem Onlinewörterbuch präsentiert werden. Das Leipzig Akkadian Dictionary ist ein Belegwörterbuch, welches die Wörter nicht nur ins Englische, Deutsche, Französische und Arabische übersetzt, sondern auch in ihren Kontexten und verschiedenen Gebrauchsweisen dokumentiert. Die digitale Publikation erlaubt es, den Wortschatz nicht alphabetisch, sondern nach Textgruppen systematisch zu erarbeiten, das Wörterbuch mit anderen digitalen Projekten zu verlinken und die älteren gedruckten Wörterbücher digitalisiert mit einzubinden.


Auf diese Weise wird ein Grundlagenwerk für die an Keilschrifttexten arbeitenden AltorientalistInnen, aber auch für zahlreiche Nachbardisziplinen entstehen. Das Leipzig Akkadian Dictionary ist zudem durch eine jährliche Masterclass Akkadische Lexikographie mit dem Masterstudium Altorientalistik an der Universität Leipzig verzahnt.


Das von Michael P. Streck, Professor für Altorientalistik an der Universität Leipzig und Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, geleitete Projekt startet 2025 und wird mit ca. 5,8 Millionen Euro gefördert.

 

Hintergrundinformationen

Seit ihrer Gründung als Königlich Sächsischer Gesellschaft der Wissenschaften im Jahr 1846 steht die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig in der Tradition des von Leibniz geprägten Akademiegedankens. Als Gelehrtengesellschaft bringt sie führende Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen zum regelmäßigen Diskurs zusammen. Die an der Akademie angesiedelten Forschungsprojekte im Rahmen des Akademienprogramms sind ein internationaler Leuchtturm in der geisteswissenschaftlichen Langfristforschung.


Als Gemeinschaft von national und international renommierten Gelehrten bringt die Akademie Ordentliche Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie Korrespondierende Mitglieder weltweit zusammen, die jeweils durch ihre Forschungen zu einer wesentlichen Erweiterung des Wissensbestandes ihres Faches beigetragen haben. Im gemeinsamen fächerübergreifenden Austausch werden gesamtwissenschaftliche Entwicklungen in den Blick genommen und Impulse für neue Forschungsfragen gesetzt. Im Jungen Forum können bis zu 15 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler das Akademie-Leben mitgestalten.
Als Forschungseinrichtung liegt der Schwerpunkt auf geistes- und kulturwissenschaftlichen Langfristvorhaben zur Erschließung kulturellen Erbes, von den die meisten Teil im europaweit einzigartigen Akademienprogramm sind. Die Digitalen Geisteswissenschaften sind ein weiterer Arbeitsschwerpunkt, zahlreiche Verbundprojekte zu diesem Thema werden von der Akademie koordiniert.


Derzeit betreibt die Akademie über 20 Vorhaben, viele davon in enger Kooperation mit Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. So wird mit der Erarbeitung von wissenschaftlichen Handwörterbüchern wie des Althochdeutschen Wörterbuchs eine große sprachwissenschaftliche Tradition fortgesetzt. Kommentierte Werkausgaben wie die Leipziger Mendelssohn-Gesamtausgabe und Briefeditionen wie die des Schumann- oder des Gottsched-Briefwechsels bilden weitere Arbeitsschwerpunkte, ebenso Forschung zur Kulturgeschichte, z. B. das interakademische Projekt „Klöster im Hochmittelalter“ oder die „Enzyklopädie jüdischer Kulturen“. Vorhaben wie die „Bibliotheca Arabica“ und die „Wissenschaftliche Bearbeitung der buddhistischen Höhlenmalereien in der Kuča-Region der nördlichen Seidenstraße“ ermöglichen zudem die gedruckte und digitale Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung kulturellen Welterbes. Bei der Arbeit entstehen oft umfassende digitale Portale wie die „PROPYLÄEN. Forschungsplattform zu Goethes Biographica“ oder seit Anfang 2023 das „Forschungsportal BACH“, in dem erstmals digital sämtliche verfügbare archivalische Quellen zur gesamten Musikerfamilie Bach erschlossen und öffentlich zugänglich gemacht werden.


In zahlreichen Veranstaltungsreihen werden Experten aus Wissenschaft und Politik eingeladen, den öffentlichen Diskurs über jeweils aktuelle gesellschafts- und wissenschaftspolitische Themen voranzubringen.